Elektroauto: Viele Kanten, wenig Liebe: Teslas Cybertruck stößt in Berlin auf wenig Zuneigung

Erstmals zeigt Tesla seinen SUV in Europa und hat sich dafür ein Einkaufszentrum ausgesucht. Doch selbst hartgesottene Tesla-Fans wissen nicht, was sie von dem Gefährt halten sollen.

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Ein Mann wischt mit einem gelben Lappen über das scharfe Heck des Cybertrucks. Das Auto soll auf Hochglanz gehalten werden, aber trotz aller Bemühungen kann man nicht sagen, dass sich der riesige Trumm dem Verlangen nach Glanz ganz fügt. An der Türflanke hat sich ein hartnäckiger Fingerabdrucksumpf gebildet. Obwohl das natürlich ein Auto fürs Grobe sein soll, fragt man sich doch, ob es hier eine gelungene Deutschlandpremiere werden kann. In Deutschland würden die Leute ja nicht mal einen Kühlschrank kaufen, auf dem Spuren haften bleiben.

Die Leute von Elon Musk haben den Tesla-Cybertruck aus unlackiertem Edelstahl am Donnerstagfrüh auf dem Hof eines Berliner Einkaufszentrums abgestellt. Das soll der Auftakt sein zu etwas, dass sie “Odyssee” nennen, vielleicht in nur oberflächlicher Kenntnis jener antiken Erzählung, die von Irrfahrten und Lügengeschichten handelt und deren Fahrzeuge, die Schiffe, fast alle zerschellen oder untergehen. Egal, der Cybertruck hat viele Fans. Er ist in Europa zwar überhaupt nicht zu kaufen, und in Amerika funktioniert er auch nur so ein bisschen (das Gaspedal klemmt, oder vielmehr, das Strompedal). 

Trotzdem übt das seltsame Fahrzeug auf viele Menschen schon eine eigenartige Faszination aus. Besonders junge Menschen schauen ohne Ende Youtube-Videos mit dem Cybertruck. Deshalb hat Tesla ein gutes Dutzend Mitarbeiter abgestellt. Werbung oder so etwas wie Pressebetreuung hat das Unternehmen zwar eigentlich nicht nötig, aber in den vergangenen Monaten hat es ein wenig Demut lernen müssen. Nicht nur des klemmenden Fahrpedals wegen, sondern auch weil der Aktienkurs zeitweise steil nach unten zeigte, der Firmenguru auf Twitter oder wie das jetzt heißt viel Widerspruch auslöste und die Gewinnmarge auf einem Niveau gelandet ist, auf dem sich sonst so popelige Firmen wie VW bewegen. 

Grobschlächtiges Interieur

Am Morgen hat der Cybertruck noch keinen Menschenauflauf ausgelöst. Zeitweise tummeln sich kaum mehr Besucher als Tesla-Mitarbeiter um das Riesenauto. Das ist nicht zu vergleichen mit dem Auflauf, den ein neues iPhone produziert. Immerhin, es gibt auch hier richtige Fans wie David Duhme. Der 22-Jährige ist angehender Luft- und Raumfahrtingenieur, liest seit 2017 jeden Tweet von Elon Musk und findet vieles, was er da liest, auch richtig (es sei denn, es geht um Russland und die Ukraine). Er hat auch Tesla-Aktien, die beim Verkauf auch heute noch einen hübschen Gewinn abliefern würden. Wenn er nächstes Jahr seinen Studienabschluss macht, dann nichts wie ab nach Amerika, vielleicht reicht es dann für den ersten Tesla. Duhme ist Vertreter einer Generation, die sich nicht für Autos allgemein interessiert, wohl aber für Tesla. Er kennt die Landschaft der chinesischen Techfirmen im Detail, kennt deren Stärken und Schwächen und glaubt, dass die traditionelle deutsche Autoindustrie keinen Fuß mehr auf die Erde bekommt. 

Besucher wie Duhme dürfen nur von außen um das Auto schleichen, Pressevertreter wird gestattet, schon mal am eckigen Steuer Platz zu nehmen. Das Interieur sieht sehr grobschlächtig aus, alles Plastik, als könnte man es mit dem Gartenschlauch abspritzen wenn es mal staubig geworden ist. Soll man nun an dieser Stelle die Spaltmaße erwähnen? An der vorderen Haube (die keine Motorhaube ist) klafft eine Karosseriefuge wie ein Kraterspalt, die nach oben hin immer größer wird. Aber das war ja genau das Missverständnis der deutschen Autoindustrie mit Tesla, die den Konkurrenten so groß hat werden lassen. Dass die Leute hier gedacht haben, sie könnten Tesla mit den Maßstäben des traditionellen Autobaus betrachten und zum Leichtgewicht erklären, weil die Kalifornier nicht so lange mit der Messlehre ums Auto geschlichen sind wie Deutsche und auch nicht so ausgiebig die Ziernähte an den Sitzen befühlt haben, ob die auch wirklich gleichmäßig verlaufen. Die eigentliche Faszination ist ihnen offenbar entgangen. 

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© Privat

 “Viele fragen, wo kann ich das kaufen”, erzählt ein Tesla-Mann am Stand. Sagen muss er dann immer: bis jetzt gar nicht. Ein Mann kommt aus dem Einkaufszentrum, geht an dem Auto vorbei, bleibt zehn Sekunden stehen und ruft dann im Weitergehen laut “Fuck”, es ist nicht ganz klar, ob das verächtlich oder bewundernd gemeint ist.

Ein Ehepaar aus Malmö ist durch Zufall vorbeigekommen, sie fahren Tesla Model 3. Sie findet den Cyberstar “grotesk”. “Na, wenigstens ist er einzigartig”, schiebt sie hinterher, um eine Kompromisslinie zu ihrem Mann aufzubauen, denn er ist durchaus angetan von dem Riesenauto, wenn auch die Nachbarn in Schweden womöglich die Nase rümpfen würden.

Und dann sind Mustapha und Bianca vom Stadtrand gekommen. Normalerweise bewegen sie sich nicht mehr ins Zentrum, das erste Kind ist unterwegs. Mustapha ist 29, Bianca 31. Er nennt sich Investor, sie arbeitet als Sachbearbeiterin im Bezirksamt. Er ist Tesla-Fan der ersten Stunde, hat schon als Teenie für den Tesla-Roadster geschwärmt, ist aber selbst beim Jaguar ZF gelandet, weil der Tesla zu teuer gewesen sei – und dann die Ladeprobleme in der Großstadt. Den Jaguar hat er inzwischen wieder verkauft. Auf der Mailingliste von Tesla stand Mustapha seit einer Probefahrt, deshalb wurde er hier zur Cybertruck-Präsentation im Einkaufszentrum eingeladen. 

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Am Cybertruck scheiden sich die Geister

Wenn das Kind da ist, soll es auf jeden Fall ein E-Auto werden, aber nicht wegen der Umwelt, sondern weil es einfach cooler, schneller, überlegener ist. Mustaphas Liebe zu Tesla ist allerdings etwas abgekühlt. Das habe aber nichts mit Elon Musks Sprüchen zu tun, die findet er ausnahmslos richtig – mehr noch als früher. Den Cybertruck, nun ja. Sie findet ihn nur o.k., ihm aber ist er eigentlich viel zu soft geraten. “Das ist ja nur die weichgespülte Version”, klagt er. Außerdem, was die Chinesen inzwischen in Sachen E-Autos aufbieten, Mustapha hat sich genau über die Modelle informiert. Entweder ein Tesla oder ein China-Auto, sagt er. Den Neuen der Handyfirma Xiaomi zum Beispiel. 

Und was ist mit einem deutschen Auto? Das Paar schüttelt sich. Obwohl, dieses Auto, das VW jetzt in Peking auf der Messe gezeigt hat, sei sensationell, sagen die beiden. “Endlich mal nicht so’ne Schrottlaube”, ruft Mustapha. Aber das soll ja wieder nur für China sein. Und dann die ganze Software- und Entertainmenttechnik bei den Deutschen, “da ruckelt alles, da funktioniert nichts”, sagt der junge Mann. Bianca schüttelt den Kopf.

Drei Polizisten sind auch gekommen. “Farbbeutelanschläge” erklärt die Beamtin oder sonst irgendwelche Aktionen von Aktivisten. Vor zwei Tagen erst brannte eine Flotte von Amazon-Transportern aus. In einem Bekennerschreiben war die Rede davon, dass die Täter “eine spannende Aktionswoche gegen Tesla” planten. Der Cybertruck, so bullig er aussieht, kann sich nicht selbst schützen.

Am Nachmittag soll wieder die Plane über das Auto gezogen werden, zwei Tage dann noch Berlin, dann geht die Odyssee weiter.




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Author : Lutz Meier

Publish date : 2024-05-02 21:24:00

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